Dienstag, 30. Oktober 2012

Du musst deinen Leser mit Wahrheiten verführen, wenn du nicht scheitern willst. Du musst ihn vom ersten Augenblick in den Bann ziehen, wenn du ihn nicht verlieren willst. Ich glaube, ich bin ein Erzähler, der die Kunst beherrscht, die Menschen mit nichts als mit Geschichten zu fangen.

Henning Mankell

Aus dem Klappen-Innentext von der Erzählung "Der Mann am Strand"

Montag, 29. Oktober 2012

Zwei Wölfe

Ein alter Indianer sass mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten.
Nach einer Weile des Schweigens sagte der Alte: "Weisst du wie ich mich manchmal fühle? Es ist, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander kämpfen würden. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere hingegen ist liebevoll, sanft und mitfühlend." Der Junge fragte: "Welcher der beiden wird den Kampf um dein Herz gewinnen?".
"Der Wolf, den ich füttere", antwortete der Alte!

Quelle unbekannt

Sonntag, 28. Oktober 2012

Fremdsprachen


Ich atme tief durch und zähle bis zehn. Dann wiederhole ich das Ganze auf Spanisch und Englisch. Es ist sehr praktisch, Fremdsprachen immer wieder in den Alltag einfliessen zu lassen. So kann man, ohne Zeit zu verlieren, gelernte Strukturen wiederholen und einschleifen.

Samstag, 27. Oktober 2012

Weltende

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten - liest man - steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.


Jakob van Hoddis, 1887 - 1942

Freitag, 26. Oktober 2012

Verbrennungen

Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.

Heinrich Heine

 

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Liebe






"Sie lieben sie sehr, nicht?", fragte ich schliesslich. Eine blöde Frage, wie aus einem billigen Film.
Er bewegte den Kopf langsam von einer Seite zur anderen.
"Sie ist mein Leben."
Die Antwort passte zu meiner Frage, sie war auch blöd und billig, aber bei ihm klang es nicht so.

Dienstag, 23. Oktober 2012

Spiegelbilder

Alex sah in die Augen ihrer Tochter und entdeckte darin ein winziges Spiegelbild ihrer selbst. Sie fragte sich plötzlich, warum sie so etwas nie mit Josie gemacht hatte: mit Lidschatten herumexperimentieren, ihr die Zehennägel lackieren,  Frisuren ausprobieren. Andere Mütter hatten solche gemeinsame Erinnerungen mit ihren Töchtern, und erst jetzt wurde Alex klar, dass es ihre Aufgabe gewesen wäre, für solche Augenblicke zu sorgen.

Aus
Von
Jodi Picoult

Montag, 22. Oktober 2012

Ironie

Der Schriftsteller scheut sich vor Gefühlen, die sich zur Veröffentlichung nicht eignen; er wartet dann auf seine Ironie.

Max Frisch

Sonntag, 21. Oktober 2012

Der Leser


Wer kennt ihn, diesen, welcher sein Gesicht
wegsenkte aus dem Sein zu einem zweiten,
das nur das schnelle Wenden voller Seiten
manchmal gewaltsam unterbricht?

Selbst seine Mutter wäre nicht gewiß,
ob er es ist, der da mit seinem Schatten
Getränktes liest. Und wir, die Stunden hatten,
was wissen wir, wieviel ihm hinschwand, bis

er mühsam aufsah: alles auf sich hebend,
was unten in dem Buche sich verhielt,
mit Augen, welche, statt zu nehmen, gebend
anstießen an die fertig-volle Welt:
wie stille Kinder, die allein gespielt,
auf einmal das Vorhandene erfahren;
doch seine Züge, die ungeordnet waren,
blieben für immer umgestellt.

Von:
Rainer Maria Rilke
Aus:
Gedichte und Prosa


Samstag, 20. Oktober 2012

Trostlosigkeit





Trostlosigkeit

Leere, dunkle, einsame Strassen,
Mächtige, riesige Menschen, die hassen
Alles was lebt und was liebt.

Ängste, Trauer, Qualen und Sorgen
Lassen dich fürchten das Hier und das Morgen
Errichten düstere Mauern um dich.

Freude und Glück, aufrichtige Liebe
Verziehen sich langsam, sichtbare Diebe
Verlassen dich schmerzhaft und sacht.

Einsamer, kalter, nächtlicher Himmel,
Drohendes, teuflisches Höllengeklingel
Umgibt dich mit tosender Wucht.

Alleine im Dunkeln, in Herbst und in Nacht
Haben sich Suchende aufgemacht
Dich zu holen ganz schnell.




Ganz herzlich möchte ich noch die Wolkentänzerin hier willkommen heissen. Fühl dich wohl hier und viel Spass beim Mitlesen
Eponine

Freitag, 19. Oktober 2012

Wer kennt solche Bücher?

Gewisse Bücher scheinen geschrieben zu sein, nicht damit man daraus lerne, sondern damit man wisse, daß der Verfasser etwas gewußt hat.

Johann Wolfgang Goethe

Flüsse

Gute Bücher sind wie grosse, wilde Flüsse. Sie reissen den Leser mit sich und halten ihn in ihren Fluten gefangen.

Herzlich willkommen Gabriela, schön, dass du da bist!

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Dunkelheiten

Die Dunkelheit schien alles gefressen zu haben, die Bäume und selbst den Boden vor ihren Füssen. Nachtfalter flatterten ihnen ins Gesicht, aufgeschreckt von dem Feuer, das Farid zwischen seinen Fingern hegte wie ein kleines Tier. Die Bäume schienen Augen und Hände zu haben, und der Wind trug Stimmen an ihre Ohren, leise Stimmen, die Meggie unverständliche Worte zuflüsterten.

Aus
Tintenblut
Von
Cornelia Funke

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Zeit

Ein Buch will seine Zeit. Alle schnell in wenigen Wochen geschriebenen Bücher erregen bei mir ein gewisses Vorurteil gegen den Verfasser.

Heinrich Heine

Dienstag, 16. Oktober 2012

Garten

Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.

Arabische Weisheit


Montag, 15. Oktober 2012

Freudvoll

Freudvoll

Freudvoll

und leidvoll,
gedankenvoll sein.
Hangen
und bangen
in schwebender Pein.
Himmelhoch jauchzend
zum Tode betrübt,
Glücklich allein
ist die Seele die liebt.



Johann Wolfgang von Goethe
 
aus Egmont.

Sonntag, 14. Oktober 2012

Per Sie

Gegen geborgte Bücher behält man stets eine gewisse formelle Höflichkeit. Man gewinnt kein Verhältnis zu solchen Büchern, man bleibt stets "per Sie" mit ihnen. 
 
Rainer Maria Rilke

Samstag, 13. Oktober 2012

Wasservogel

Des Wasservogels Wegflug und Wiederkehr, ohne Spur sind sie,
jedoch seines Weges Bahn - könnte er sie je vergessen?

Meister Dogen


Freitag, 12. Oktober 2012

Ode an das Buch

Oh Buch

Liegst du erst einmal in meiner erwartungsvollen Hand,
Geöffnet, leise aufgeschlagen,
Entführst du mich ganz langsam, wie ein Schlummer.

Ferne Welten werde ich sehen,
Andere Länder, Kulturen, Menschen
Geschichten aus aller Zeit.

Auswüchse einer fremden Fantasie
Oder einer anderen Realität
Verschwimmen zu einem unüberschaubaren Ganzen.

Du hältst mich gefangen,
Umgibst mich sanft und klebrig warm
Mit unendlich süsser Poesie.

Manchmal machst du mich traurig,
Wütend, betroffen, weinend, ratlos.
Du schockierst und erschütterst.

Manchmal berührst du,
Weckst Mitleid, Hoffnung, Sehnsucht,
Lässt mich mein Menschsein spüren.

Und auch machst du glücklich,
Fröhlich, lachend, jauchzend, jubelnd,
Gibst mir alle meine Freude zurück.

Erzählungen gewürzt mit Witz und Eleganz,
Manchmal stockend, mal fliessend,
Meistens unterhaltsam.

Und am Ende bin ich froh,
Die Achterbahn der Gefühle überstanden zu haben,
Dich gelesen zu haben.

Und meistens bin ich traurig,
Dass ich dich wieder zuschlagen muss,
Dass deine Geschichte zu Ende erzählt ist.

Aber in meinen Gedanken
Lebt deine Geschichte weiter.
Oh Buch, ich danke dir dafür!

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Erinnerungen

"Du kannst natürlich alles so einrichten, wie du möchtest. Wo ist dein Gepäck?"
"Das habe ich beim Überfall verloren."
"Und bei den Indianern..." Rose stockte, als hätte sie sich an etwas verschluckt.
"Ich habe von dort nichts mitgenommen", antwortete Marie sanft. "Alles, was ich besitze, trage ich an meinem Körper." Und in meinem Herzen. Die Worte ihres Bruders fielen ihr wieder ein. Was in deinem Herzen ist, kann dir niemand nehmen.

Aus: Das Lied der weissen Wölfin
Von: Claire Bouvier

Dienstag, 9. Oktober 2012

Ein Traum von Maria

Ein Traum von Maria


Niemals sah ich dein Gesicht,

Doch eine Handvoll Sonne,
Das Einzige, was auf meinen Weg fiel,
Kam aus deinen Händen.
Schicksal, Schnee und Wind und Angst.

Die einzige frohe Botschaft,
Die in meinen Winkel fiel,
Kam aus deinem Munde.

Die Wege nehmen Abschied
In Dunkelheit und Vergessen.

Einen Moment hielt sie inne,
Die unglückliche Seele,
Sie wusste nicht, wohin mit den Augen,
Und erbebte.

So ging das Leben dahin.
Und niemals sah ich dein Gesicht.
 

Von
Ivo Andrić
Aus
Lyrik und lyrische Prosa




San o Mariji

Ja nisam nikad video tvog lica,
A pregršt sunca,
Jedina što je pala na moj put,
Bješe iz tvoje ruke.
Sudbina. Snijeg i vjetar i strah.

Jedna jedina radosna
Vijest, što je pala u moj kut
Bješe iz tvojih usta.

Praštaju se putevi tamom i zaboravom.

Jedan čas je stala
Uboga duša, ne znajući kuda s očima,
I drhtala.

Tako je prošao život.
I nikad nisam video tvog lica.

Montag, 8. Oktober 2012

Morgenstimmung

Und wenn ich am Morgen aufstehe und sogleich zu einem Buch greife, ein wenig darin lese und dann erst in die Küche oder ins Badezimmer gehe, habe ich mir schon vor dem eigentlichen Aufstehen und Aufwachen Zugang zu einer anderen Welt gewährt.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Bindung zu Bücher

Der Liebste: Dann leih dir die Bücher doch in einer Bibliothek aus, wenn du nicht noch mehr Geld dafür ausgeben willst.
Eponine: Aber ich will sie haben, besitzen, in mein Regal stellen. Ich will an ihnen riechen und sie müssen ganz frisch sein, der Zauber muss erhalten sein. Ohne Kaffeeflecken, andere Hände, fremde Hände. Und wenn ich sie weitergeben und jemandem ausleihen will, bestimme ich wem und für wie lange und kann sie dann wieder zurück stellen, an ihren Platz. In meinem Regal. Ich kann sie täglich ansehen, anfassen, aufschlagen, darin lesen. Sie fotografieren, umsortieren, anordnen, auswählen. Darum kaufe ich sie. Auch weiterhin!

Samstag, 6. Oktober 2012

Schmerz...

18:32
Bin sehr nervös. Und sehr deprimiert. Werde jetzt mit der Epilation fortfahren, um mich durch den äusseren Schmerz von meinem inneren Schmerz abzuhalten.

Mondscheintarif
Ildikó von Kürthy

Freitag, 5. Oktober 2012

Blumen


Ich habe heute ein paar Blumen nicht gepflückt, um dir ihr Leben zu schenken.

Christian Morgenstern


Donnerstag, 4. Oktober 2012

Eau sauvage

Der Name war ebenso schlicht und verheissungsvoll, wie der Duft berauschend. Er hatte mit Natur und Freiheit zu tun. Was war es doch? Eleni blieb mit ihrem Besen in der Hand stehen und schloss die Augen. Wieder sah sie sich das Bad betreten, nach dem Flakon greifen und ihn öffnen, um am Parfüm zu riechen, ehe sie ihn vorsichtig abstellte.
"Eau sauvage!", rief sie.
Glücklicherweise war niemand in der Nähe, der ihren Triumphschrei hören konnte, hielt man sie doch seit Beginn ihres Abenteuers schon für wunderlich genug.

Die Schachspielerin, Bertina Henrichs

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Bastelstunden



Skarlet hatte Basteln immer für ein Wesensmerkmal des Sozialismus gehalten. Eine aus Mangel und Materialknappheit erfundene abstruse Verhaltensform, die das Land zu einem Provisorium gemacht hatte. Aber zu Skarlets Überraschung war der Bastelwahn gesamtdeutsch, Deutschland einig Bastelland. In einer Gesellschaft, die auf Perfektion bedacht war, galt es als heldenhaft, seine Freizeit mit dem Zusammenbau fünfundachzigteiliger Lamellenschränke zu verbringen und, statt einen Handwerker zu bestellen, alle Elektroleitungen selbst zu verlegen und fortan beim Berühren jedes Lichtschalters mit der Gefahr zu leben, dass ein Pol verwechselt worden war. Aber ein deutscher Mann nahm auch einen Herzstillstand in Kauf.



Ironische und somit auch sehr buchbeschreibende Passage aus:

Dienstag, 2. Oktober 2012

Ins Netz gegangen

Diesen wunderschönen Text mit den Bildern habe ich von der Wolkentänzerin vom Blog "Wenn Wolken weinen". Schaut doch einmal vorbei, es lohnt sich...


Warum ein Schmetterling fliegen kann

Vor einiger Zeit haben Forscher eine Studie begonnen. Als Versuchsobjekt dienten einige verpuppte Raupen, Raupen, die zu Schmetterlingen heranwuchsen.
Die Forscher wollten untersuchen, was passiert, würden sie die Kokons ein Stück weit öffnen, den metamophorsierten Raupen helfen, aus ihrem Gefängnis zu schlüpfen.

Das Ergebnis war frappierend: Kein einziger befreiter Schmetterling konnte fliegen, keiner hob ab in die Weiten des Himmels.
Sofort untersuchten die Forscher jene Ursache dafür.
Die Lösung? Der Schmetterling lernt, durch das Öffnen des Kokons, auf seine Flügel zu vertrauen. Durch das kräftige Schlagen seiner Flügel befreit sich der Schmetterling und weiß, er kann auf seine Fluggeräte bauen, weiß, dass sie ihn nicht im Stich lassen.

Keiner der Versuchsschmetterlinge konnte am Ende also fliegen, konnte sich somit auch keinen Nektar holen und verhungerte bitterlich.

Was lernst du daraus? Manchmal ist es vielleicht gut, kämpfen zu müssen. Es ist gut, so kräftig mit den Flügeln zu schlagen, dass es schon wehtut, nur um aus diesem Gefängnis zu gelangen. Denn am Ende weißt du, wozu du und deine Flügel fähig sind.

Niemand sagt, dass das Befreien einfach wird, dass es nicht all dein Kraft von dir abverlangt, doch du kannst es schaffen! Am Ende wirst du vielleicht ein wundervoller farbenfroher Schmetterling, der frei durch die Luft fliegen kann, dank seines Kampfes, den er einst erfolgreich gefochten hat.



Wolkentänzerin

Montag, 1. Oktober 2012

Geschichten

Geschichten sind das Gefährlichste der Welt, knurrte das Monster. Geschichten jagen, beissen und verfolgen dich.
"Sowas behaupten Lehrer immer", entgegnete Conor.
"Und denen glaubt auch keiner."


Aus:
Sieben Minuten nach Mitternacht
Von
Patrick Ness und Siobhan Dowd